Fragen und Antworten zur Aufarbeitung

Projekt "Wissen teilen" und MHG-Studie

Das Projekt "Wissen Teilen"

Wer sind die Frauen und Männer, die seit April 2019 das externe Gremium zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch während der Amtszeit des verstorbenen Bischofs Heinrich Maria Janssen (1957 bis 1982) gebildet haben?

Leiterin (Obfrau) der externen Untersuchung ist die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht a. D. und ehemalige niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) gewesen.

Mit ihr zusammen arbeiteten der Leitende Oberstaatsanwalt a. D. Kurt Schrimm aus Stuttgart, der 15 Jahre lang Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg gewesen ist, sowie Fachleute des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) aus München: Gerhard Hackenschmied, Dr. Peter Caspari,  Dr. Florian Straus und Dr. Christa Paul.

Das IPP ist ein sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut, das in der Vergangenheit bereits mehrere unabhängige Studien zum Umgang mit sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch in kirchlichen Institutionen vorgelegt hat, so auch im Bistum Hildesheim.

Was war Gegenstand der Aufarbeitung?

Den Ausgangspunkt für das Vorhaben bildeten die in den Jahren 2015 und 2018 dokumentierten Missbrauchsvorwürfe zweier Betroffener gegen den verstorbenen Bischof Heinrich Maria Janssen. Die Aufarbeitung ging aber deutlich über die beiden Vorwürfe hinaus und umfasste zeitlich die Jahre 1957 bis 1982. Während dieses Zeitraums war Janssen Bischof von Hildesheim. Auftrag der externen Fachleute war es, mögliche Strukturen aufzudecken, die sexuellen Missbrauch durch Mitarbeitende des Bistums Hildesheim möglich gemacht unterstützt, geduldet oder gedeckt haben. Sie nahmen also insbesondere auch die institutionellen Bedingungen in den Blick, die zum Entstehen von Unrecht beigetragen haben.

Bei der Recherche ging die Untersuchungsgruppe zweigleisig vor: Sie sichtete Unterlagen aus dem Archivbestand des Bistums und führte Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Darunter waren Betroffene von sexualisierter Gewalt. Aber auch aktive oder ehemalige kirchliche Mitarbeitende, Gemeindemitglieder oder weitere Personengruppen (etwa ehemalige Ministranten), die Angaben zum Gegenstand der Untersuchung machen konnten und wollten, wurden befragt oder konnten sich zu diesem Zweck an Obfrau Niewisch-Lennartz wenden. Die Obfrau stand in mehreren Orten im Bistum Hildesheim zu vorab kommunizierten Terminen für vertrauliche Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zur Verfügung.

Die Ermittlung durch die unabhängige Gruppe erfolgte offen. Die Untersuchung war als sondierende Studie angelegt. Die Expertinnen und Experten haben in ihrem Bericht Empfehlungen an das Bistum Hildesheim zum weiteren Vorgehen in der Aufarbeitung und im Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt ausgesprochen.

Konnte die Gruppe der externen Expertinnen und Experten ohne Einschränkungen arbeiten?

Die externen Expertinnen und Experten sind unabhängig und waren absolut frei in ihrer Arbeit sowie in der Kommunikation ihrer Ergebnisse. Sie erhielten vom Bistum Hildesheim vollständigen Zugang zu allen Informationen, die sie benötigten.

Gibt es neben der Studie zur Amtszeit von Bischof Janssen weitere Aufarbeitungsvorhaben im Bistum Hildesheim?

Ja. Einen ersten Schritt der externen Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch stellte das im Herbst 2017 vorgestellte Gutachten des unabhängigen Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) aus München dar. Es befasste sich mit unterschiedlichen Verdachtsfällen sexualisierter Gewalt durch Geistliche im Bistum Hildesheim. 

Darunter war die im Jahr 2015 erfolgte Meldung eines ehemaligen Messdieners, der angab, der verstorbene Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen haben ihn Ende der 1950er-Jahre bis Anfang der 1960er-Jahre sexuell missbraucht.  

Ebenso im Fokus des IPP-Berichts stand der pensionierte Priester Peter R., der als einer der Haupttäter am Berliner Canisius-Kolleg gilt. Er war nach seiner Tätigkeit in Berlin mehr als 20 Jahre lang an verschiedenen Orten im Bistum Hildesheim als Seelsorger tätig. In dieser Zeit gab es diverse Hinweise auf mutmaßliche Taten, ohne dass dies ernsthafte Konsequenzen für den Geistlichen gehabt hätte.  

Das IPP attestiert dem Bistum deshalb eklatante Schwächen. Ansatzpunkte für straf- und kirchenrechtliche Ermittlungen seien ignoriert und der Schutz möglicher weiterer Opfer außer Acht gelassen worden. Auch habe man eine mögliche Kindeswohlgefährdung nicht erkannt, nachdem eine 14-Jährige im März 2010 angegeben hatte, sie habe sexualisierte Gewalt durch Peter R. erlitten.  

Weihbischof Dr. Nikolaus Schwerdtfeger (damals Diözesanadministrator des Bistums Hildesheim) sagte bei der Vorstellung der Studie, er sei zutiefst beschämt, zerknirscht und traurig über die Untersuchungsergebnisse: „Die eigene Schuld und das eigene Versagen im Umgang mit diesen Fällen lastet auf uns. Die Opfer und ihre Angehörigen bitte ich im Namen unseres Bistums um Vergebung. Uns ist sehr bewusst, dass ihnen großes Leid widerfahren ist.“  

Neben der schonungslosen Aufklärung von Versäumnissen lieferten die Gutachter eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen, die das Bistum Hildesheim seitdem sukzessive umgesetzt hat, um sich im Umgang mit sexuellem Missbrauch professioneller aufzustellen und die in dem IPP-Bericht als gut bewertete Präventionsarbeit noch weiter zu verbessern.  

Als ersten Schritt berief Schwerdtfeger mit Wirkung zum 1. Januar 2018 die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer zur unabhängigen Leiterin des Bischöflichen Beraterstabs in Fragen sexualisierter Gewalt. Ihr steht seit September 2018 eine hauptamtliche Referentin zur Seite – eine Stelle, die das Bistum neu geschaffen hat. 

Eine weitere Empfehlung aus dem IPP-Gutachten stellt die Umbesetzung der Ansprechpersonen für Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt dar: Seit Januar 2019 gibt es unabhängige Ansprechpersonen, die in keinem Dienst- oder Abhängigsverhältnis mit dem Bistum stehen. Fallbezogen werden diese Ansprechpersonen in die Arbeit des Bischöflichen Beraterstabes in Fragen sexualisierter Gewalt eingebunden, um dort die Interessen der Betroffenen zu vertreten.  

Darüber hinaus wurde im Jahr 2019 – ebenfalls als Konsequenz aus der IPP-Studie – eine neue Verfahrensordnung in Kraft gesetzt, die das Vorgehen im Umgang mit Verdachtsfällen sexualisierter Gewalt klar regelt und für alle Einrichtungen des Bistums gültig ist, die mit Kindern, Jugendlichen oder erwachsenen Schutzbefohlenen zu tun haben.  

Im Januar 2021 beauftragte das Bistum Hildesheim den Vorsitzenden Richter am Landgericht a. D. Wolfgang Rosenbusch, Hinweisen auf sexualisierte Gewalt durch einen mittlerweile verstorbenen Priester der Diözese nachzugehen. Aus dem im Juni 2021 veröffentlichten Untersuchungsbericht von Rosenbusch geht hervor, dass sich der Geistliche Georg M. an fünf ihm anvertrauten Kindern des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht hat.  

Rosenbusch ermittelte, dass der mittlerweile verstorbene Bischof Dr. Josef Homeyer und der damalige Personalchef, Domkapitular Werner Holst, als Entscheidungsträger im Jahr 1992 den Pfarrer Georg M. aus der Pfarrgemeinde Christ König (Salzgitter-Bad) in die Pfarrgemeinde St. Marien (Cuxhaven) versetzt haben, obwohl sie durch das Jugendamt Salzgitter über Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch den Geistlichen in Kenntnis gesetzt worden waren. 

Wie viele Akten gibt es, die sich auf die Amtszeit von Bischof Janssen beziehen?

Der Gesamtumfang aller im Bistumsarchiv Hildesheim und in der Registratur vorhandenen Unterlagen für die Amtszeit von Bischof Heinrich Maria Janssen beträgt etwa 2.000 laufende Meter. Für das Aufarbeitungsvorhaben waren aber nicht alle Unterlagen relevant, sondern verschiedene Teile aus dem gesamten Umfang für die Jahre von 1957 bis 1982. 

Etwa 80 Prozent der Unterlagen, die Janssens Amtszeit betreffen, sind archivisch erschlossen oder teilweise erschlossen, wobei bis auf ganz wenige Ausnahmen alle eine eindeutige Archivkennung haben. Der Umfang der Unterlagen ist in sich sehr verschieden und reicht von einer lediglich ein oder zwei Seiten umfassenden Akte bis hin zu solchen mit 200 oder 300 Blatt. Dies gilt sowohl für Akten, die sich auf Orte oder Kirchengemeinden beziehen, also auch für Personalakten.  

Aufbewahrt werden die Unterlagen des Archivs und der Registratur im Archiv am Pfaffenstieg, im Bischöflichen Generalvikariat am Hildesheimer Domhof sowie in den archivischen Außenstellen in Hildesheim, Hannover und Duderstadt. Das Bistumsarchiv hält sowohl am Hildesheimer Domhof entstandene Unterlagen vor wie auch solche aus Pfarreien und weiteren Einrichtungen des Bistums.  

Warum geht der Untersuchungszeitraum nicht über die Zeit von 1957 bis 1982 hinaus?

Dafür gab es mehrere Gründe: Eine überwiegende Mehrheit der Geistlichen des Bistums Hildesheim, die in der MHG-Studie der sexualisierten Gewalt beschuldigt worden sind, haben einen direkten Bezug zur Amtszeit von Bischof Heinrich Maria Janssen, sind also in